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www.unabhaengige-listen-freiburg.de | 28.05.2023

Wir sind Papst

22. September 2011 - Amtsblatt - 560 -

Der Besuch des Papstes ist DAS beherrschende Thema in unserer Stadt. Und er ruft viele Kontroversen hervor. Viele kritisieren den Besuch, weil sie den Papst kritisieren und seine Haltung z.B. gegen Verhütung, gegen Homosexualität, zur Sexualität überhaupt, seine konservativ-reaktionäre Haltung in vielen theoretischen Glaubensfragen, seine ablehnende Haltung gegenüber der „Befreiungstheologie“ besonders in Südamerika. Andererseits freuen sich viele Tausend Katholiken über die Möglichkeit, den Papst zu sehen, eine von ihm gelesene Messe zu besuchen.
Wir sind entschiedene Verfechter der Religionsfreiheit – und wir sind entschiedene Verfechter des Prinzips der Trennung von Kirche und Staat. Von daher ist die Haltung zum Papstbesuch und zur Politik und Praxis des Papstes so gesehen erst einmal einfach Privatsache. Der Dalai Lama war in Freiburg, warum soll nicht auch der Papst nach Freiburg kommen?

Kommunalpolitisch relevant wird der Papstbesuch dadurch, dass aufgrund dieses Events in unserer Stadt massiv demokratische Grundrechte eingeschränkt werden: die Bewegungsfreiheit, die Versammlungsfreiheit und teilweise die Meinungsfreiheit. papstkritische Infostände wurden erst nach Protesten zugelassen, am Wochenende ist die Bewegungsfreiheit in der ganzen Stadt stark eingeschränkt, ein ungehinderter Zugang zur Innenstadt nicht möglich. Geschäfte werden leiden, Kinobetreiber überlegen, ihre Kinos zu schließen, da BesucherInnen gar nicht in die Innenstadt kommen können. Fahrräder werden gewaltsam aufgebrochen und entfernt.
Und das alles für den „privaten“ Besuch eines Menschen, der auf Einladung der Erzdiözese, nicht der Stadt Freiburg, in unserer Stadt weilt. Ist die Stadt Freiburg wirklich dazu verpflichtet, ein derartiges Spektakel finanziell und organisatorisch zu unterstützen? Warum gibt die Stadt einen Millionenbetrag für den Papstbesuch aus, wo doch die Kassen ach so leer sind und z.B. für ein Sozialticket die finanziellen Mittel fehlen. Muss der Besuch des Oberhaupts der katholischen Kirche wirklich in ein derartiges Spektakel ausarten? Wo bleiben Demut und das christliche Gebot der Mäßigung? Wären die Kosten für den Pomp dieses Besuchs und ähnlicher Groß-Events nicht besser zur Bekämpfung des Hungers in der Welt verwendet?

Und in wessen Namen wird dem Papst auf Plakaten im öffentlichen Raum ein „Herzlich willkommen“ erklärt? Sicher im Namen der meisten Katholiken, vieler Menschen in unserer Stadt, aber eben sicher bei weitem nicht im Namen aller Menschen.
Jede und jeder wird diese Fragen individuell und persönlich für sich beantworten. Und das ist gut so. Gestellt werden müssen sie allerdings.

Hendrijk Guzzoni, Stadtrat der Linken Liste-Solidarische Stadt