Obdachlos in Freiburg
Amtsblatt 16. Dezember 2016 – Nr. 686
Im Frühjahr 2016 stand die Stadtverwaltung in der Kritik. Nachdem unsere Fraktion öffentlich gemacht hatte, dass sie auf Betreiben des Einzelhandels eigenmächtig beschlossen hatte, das Nächtigen in der Innenstadt und Umgebung nicht mehr zu gestatten, dass sie Obdachlose per Polizei vertreiben lässt, ohne ihnen eine Alternative anzubieten, kam sie in Zugzwang. Auf Wunsch unserer Fraktion wurde das Thema Obdachlosigkeit daraufhin im Gemeinderat behandelt und kurz- und mittelfristige Maßnahmen und Investitionen in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro für die Schaffung neuer Unterbringungsmöglichkeiten beschlossen. Dazu gehörte, nicht benötigte Flüchtlingsunterkünfte schnellstens für wohnungslose Menschen bereitzustellen – und doch: Die Vertreibung geht weiter.
Was hat sich in der Zwischenzeit getan?
So wurden die Notunterkünfte für Flüchtlinge in der Bötzinger Straße als auch in der Waltershofener Straße nun in Wohnheime mit Sozialbetreuung umgewandelt und bieten derzeit 89 wohnungslosen Menschen Platz. Angekündigt hatte Bm. von Kirchbach 160 Plätze bis Jahresende. Weitere 160 Menschen sollen bis Ende 2017 notversorgt sein. Augenfällig ist, dass alle neuen Wohnheime, auch das im Längeloh in Zähringen geplante - mit Ausnahme einer noch im Umbau befindlichen Immobilie in der Wippertstraße für Familien, die Opfer von Zwangsräumungen wurden – weit draußen an den Rändern der Stadt liegen. Damit „verschwinden“ wohnungslose Menschen aus der Innenstadt, geraten aus dem Blick und verlieren an Tagesstruktur, weil sie weit entfernt von den Angeboten der Wohnungslosenhilfe wie Pflasterstube, Essenstreff, den Tagesstätten FreiRaum und Ferdi-Weiß-Haus untergebracht werden. Dennoch: 320 neue Wohnheimplätze klingen erst einmal gut und die Notunterkunft OASE wird entlastet, aber für die rund 800 wohnungslosen Menschen in Freiburg – ohne Dunkelziffer – sind sie längst nicht ausreichend.
Komplexität anerkennen: Ausdifferenzierte Hilfe- und Unterstützungsangebote
Allein die Schaffung von Wohnheimplätzen löst das Problem der Wohnungslosigkeit nicht. Die Gruppe der Betroffenen ist heterogen und braucht unterschiedlichste Hilfeleistungen. Während den Einen schlicht mit einer Wohnung oder einem Platz zum Wohnen in Wagen geholfen wäre, benötigen Andere Beratung und Unterstützung für einen Ausstieg aus der Wohnungslosigkeit und langjährig Obdachlose wiederum betreutes Wohnen und Pflege. Konzepte für langfristige Perspektiven müssen all diese Facetten umfassen. Am Erhalt und der Schaffung von mehr bezahlbaren Wohnungen führt aber überhaupt kein Weg vorbei.
Die UL will sowohl Mittel für geförderten Mietwohnungsbau als auch für differenzierte Unter-stützungsangebote für wohnungslose Menschen auch im nächsten Haushalt berücksichtigt wissen.
Angelina Flaig