Wem Ehre gebührt
1. Dezember 2010 - Amtsblatt - 541
Dass der OB in der vergangenen Sitzung des Gemeinderats mit seinem Vorschlag, den ehemaligen Rektor der Universität, Prof. Jäger zum Ehrenbürger zu ernennen, sich über alle politischen Debatten der letzten Monate hinweggesetzt hat, löste nicht nur in unserer Fraktion Empörung aus. Das Abstimmungsergebnis 28 : 16 war entsprechend unwürdig. Darüber hinaus wurde deutlich, wie umstritten Jäger selbst innerhalb und außerhalb der Universität war und ist.Zur Vorgeschichte: Im vergangenen Jahr haben die Unabhängigen Frauen, unterstützt von den UL vorgeschlagen, Dr. Gertraude Ils die EhrenbürgerInnenwürde zu verleihen. Damit haben wir versucht ganz im Sinne dieser hochgeschätzten Querdenkerin - eine längst überfällige Diskussion anzustoßen, die weit über die Person Ils hinausgeht. Gemeinsam mit ihr wollten wir eine Neubestimmung darüber, wem warum diese Ehre gebührt.
So werden bisher auf ausschließlichen Vorschlag des Oberbürgermeisters vor allem die Mächtigen geehrt. Ein überwiegender Teil der Ehrenbürger seit 1945 ist aus Politik, Kirche oder Wirtschaft und hat für und kraft ihres Amtes große Leistungen erbracht, die und das ist nicht verwerflich - ihrer Karriere und gleichzeitig der Stadt nutzen. Im Ergebnis unterstützen sich die Spitzen der Gesellschaft gegenseitig in ihren Zielen und verhelfen sich zu höchstem Ansehen, nicht mehr und nicht weniger.
Diese Tradition hat auch zur Folge, dass von der Ehrenbürgerwürde ausgeschlossen ist, wer überwiegend uneigennützig und aus echtem bürgerschaftlichem Engagement zum Wohle der Stadt wirkt. Und wer weiblich ist. In all den Jahrzehnten sind es von 21 nur 3 Frauen. Alle drei haben in der Zeit vor und kurz nach 1945 viele Menschenleben gerettet. Diese Maßstäbe, eine Heldin zu sein oder zur Elite zu gehören, können Frauen des 20. Jahrhunderts kaum erfüllen. Das Resultat geschlechts-spezifischer Aufgabenteilung waren unterbrochene berufliche Biografien durch Kinder oder Pflege. Gläserne Decken tun immer noch ihr Übriges, dass bis heute Frauen nicht in diese Schemata passen.
Man kann sich durchaus fragen, ob solche Ehrungen überhaupt noch in die heutige Zeit passen. Aber solange die Anerkennung herausragender Verdienste um die Stadt in dieser Form gewürdigt werden, sollten die Kriterien nicht nur auf mächtige Männer passen. Gute Gründe also, dass unsere Fraktion auf einer Neu-Interpretation der EhrenbürgerInnenwürde besteht. Mehr dazu auf unserer Webseite.
Irene Vogel, UFF
stellvertr. Fraktionsvorsitzende der UL, 2.12.2010